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Fragen und Antworten zum Thema Anfallsleiden

Epilepsie und Schwangerschaft: Was habe ich unbedingt zu beachten?

Frage

Lieber Herr Dr. Possnigg,

ich bin manchmal ziemlich verzweifelt, weil ich Epilepsie habe und doch so gerne schwanger werden möchte. Mein Neurologe sagt zwar immer, dass ich mir nicht so viele Gedanken machen soll, aber ich kann nun mal nicht anders.

Ich bin jetzt 29 Jahre alt und bin zur Zeit Hausfrau.

Ich nehme jetzt seit 1995 das Medikament Eyyyyy 500mg. Es wirkt bei mir sehr gut. Ich nehme morgens und abends je 1 Tablette. Ist das eigentlich eine eher hohe oder niedrige Dosis? Ich habe nämlich gehört, wenn man eine niedrige Dosis nimmt, ist es nicht so schlimm. Andernfalls müsste man auf ein anderes Präparat umstellen.

Was würden Sie mir raten? Was habe ich unbedingt zu beachten?

B I T T E helfen Sie mir – meinen Neurologen interessieren meine Fragen nicht so richtig!

Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen

xxxxx

Meine Antwort

Liebe xxxxx

Prinzipiell ist 1000mg Eyyyyy keine sehr hohe Dosis, aber bei Epilepsiemedikamenten kommt es nicht auf die Höhe der Dosis, die Sie einnehmen an, sondern wie gut es im Körper wirkt. Wenn Sie damit anfallsfrei sind, ist das sehr wichtig und sollte keinesfalls umgestellt werden.

Die Menge des Medikaments im Körper der werdenden Mutter spielt in den ersten Schwangerschaftswochen ebenfalls keine Rolle auf eine mögliche Schädigung des Kindes, sondern nur, ob Medikament überhaupt (an der kindlichen Seite der Plazenta) vorhanden ist oder nicht.

Dann kann es bis zur 8. vielleicht auch 10. Woche zu einer „Alles-oder-Nichts-Reaktion“ kommen, das bedeutet, das Kind wird entweder gar nicht geschädigt oder so stark, dass Sie es von selbst verlieren.
In der mittleren Schwangerschaft gilt, dass der Schutz vor Anfällen wichtiger ist als die Nebenwirkungen durch das Medikament und ganz zuletzt in der spätesten Schwangerschaft wirkt jedes Medikament sich auf die Wachheit aus, sodass das Kind dann mitunter etwas träger ist und nach der Geburt weniger trinkt. Das wird aber nach einigen Tagen aufgeholt.

Die wirklich kritische Zeit bezüglich einer Schädigung des Kindes durch das Medikament ist also nur die Zeit bis zur 10. Woche. Da fällt leider auch die Zeit hinein, in der Sie schwanger sind, es aber noch nicht wissen. Daher ist es sinnvoll ein Medikament einzunehmen, das das Kind vor schädlichen Einflüssen schützt und das ist das Vitamin Folsäure. Ihr Gynäkologe sagt Ihnen welches Präparat.

Wenn Sie also tatsächlich eine behandlungsbedürftige Epilepsie haben, kann ich Ihnen daher nur raten, ihrem Kinderwunsch nachzugeben und mit dem Gynäkologen genaue Untersuchungen mit Ultraschall zu vereinbaren, aber sicher nicht das Medikament wegzulassen oder zu wechseln.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Possnigg

Einige Fragen zu Epilepsie

Frage

Sehr geehrter Herr Dr. Possnigg,

Meine Freundin hat Epilepsie. Sie wollte es zuerst verheimlichen, hatte aber vor kurzem einen Anfall in der Nacht. Dann „beichtete“ sie mir alles und jetzt mache ich mir große Sorgen. Einige davon kann ich in Fragen fassen und ich bitte Sie mir die zu beantworten, wenn Sie Zeit haben.

  1. Wie lebensgefährlich ist ein Anfall generell?
  2. Wie erkenne ich einen möglichen Status, wenn sie nach einem Anfall einschläft?
  3. Müssen die Tabletten auf die Stunde genau eingenommen werden? Hat es Auswirkungen, wenn 1 Tablette zu viel genommen wird?
  4. In der letzten Nacht hat sie wieder begonnen, schnorchelnd zu atmen, sie war nicht ansprechbar/weckbar, hat den Kopf zur rechten Seite geworfen und verblieb in der Stellung, während sie mit der rechten Hand im Brustbereich herum nestelte und zu schmatzen begann. Danach wechselten sich normales Schnarchen und Schnorcheln ab. Ist das nun ein Hinweis auf ein zusätzliches fokales Geschehen? Das Herumnesteln + Schmatzen kommt schon seit längerem häufig vor während des Schlafens, aber ohne Werfen des Kopfes und dem seltsamen Atmen.
  5. Ich bin generell eher ängstlich. Ist meine jetzige ständige Besorgnis übertrieben? Meine Freundin wird sehr verunsichert durch meine Panik und ich möchte nicht, dass es durch die momentane abendliche „Angststimmung“ in der Wohnung zu einer self-fulfilling-prophecy kommt, mit neuerlichem Anfall. Ich bin aber nicht imstande zu „beruhigen“ (auch mich nicht). Was kann ich tun?
  6. Ich habe gehört, manche Frauen bekommen nach oder beim Orgasmus einen epileptischen Anfall. Bisher hat sie immer sehr intensive Orgasmen gehabt und es ist nichts passiert. Aber was soll ich tun, sollen wir uns beim Sex zurückhalten und vermeiden, dass Sie einen Orgasmus kriegt?
Meine Antwort

Lieber xxx

Zunächst einmal: Epilepsie ist eine sehr häufige, aber stark tabuisierte Erkrankung. Die Anfälle sind für den/die Betroffene(n) nicht zu merken, weil sie / er bewusstlos ist. Daher ist es auch klar, dass ihre Freundin dazu neigt, die Sache zu verharmlosen. Dennoch ist die Erkrankung ernst: Bei Nichteinnehmen der Medikamente werden die Anfälle häufiger und stärker. Narben entstehen im Gehirn, die Intelligenz leidet darunter (Psychosyndrom). Durch die Bewusstlosigkeit beim Anfall können gefährliche Situationen entstehen (Auto fahren, Schwimmen, Leiter), Verletzungen können vorkommen (Zungenbiss, Armfraktur). Andererseits: das ist auch schon praktisch alles, was bei dieser Krankheit wirklich zu befürchten ist.

Die sonst wesentlichste Begleiterscheinung ist die Stigmatisierung und das Ausschließen von Anfallskranken durch unserer Gesellschaft, die so auf Leistung und Erfolg ausgerichtet ist.

Diese Reaktion der anderen trifft den Anfallskranken viel mehr als der Anfall selbst. Daher haben die meisten das Bestreben, die Krankheit geheim zu halten.

Nun zu Ihren Fragen:

F:1. Ich habe gelesen von möglicher Mitbeeinträchtigung des Herzleitungssystems und der Atemmuskulatur und dem Vorkommen von ‚plötzlichem und unerwartetem Tod‘, und wenn ich einmal nicht dabei bin?

A: Die Gefahr, des Herztodes im Anfall beim sonst Herzgesunden ist minimal. Nicht größer als bei Stiegensteigen, Tennisspielen oder Geschlechtsverkehr. Die Störung des Herzleitungssystems ist extrem selten. Wohl steigt der Blutdruck massiv an, aber der Körper kann damit umgehen. Die Atmung bleibt beim großen Anfall (Grand Mal) immer einige Sekunden stehen, setzt aber immer ein, außer es wird ein atemdämpfendes Medikament verabreicht.

2.

A: Der Status epilepticus ist gekennzeicht zur anhaltende Krämpfe, dieser Zustand unterscheidet sich ganz massiv vom normalen Schlaf. Es wiederholt sich die Ihnen schon bekannte Krampfphase, mit nur kurzer Unterbrechung durch eine atonische schlafähnliche Phase. Die Betroffene ist nicht weckbar. Definitionsgemäß muss die zweite Krampfphase innerhalb von 15min auftreten und die Betroffene das Bewusstsein inzwischen nicht wiedererlangt haben. In dieser Zeit ist meist die Rettung bzw. der Notarzt zur Stelle, die weiter Therapie übernehmen.

3.

A: Der vorgeschriebene Abstand sollte etwa eingehalten werden. Eine Stunde auf oder ab spielt keine Rolle, wohl, aber wenn die Morgendosis erst am Abend genommen wird. Besonders schlecht ist es, dann eine Dosis auszulassen. Eine Tablette zu viel bedeutet höchstens Müdigkeit, aber keine Gefahr. Eine zu wenig kann einen Anfall bedeuten. Die modernen Medikamente haben eine sehr geringe Toxizität. Das heißt lieber eine Tablette zu viel.

4.

A: Die geschilderten Symptome weisen auf ein Anfallgeschen im Schlaf hin. Die Nichtweckbarkeit bedeutet, dass es sich um einen generalisierten Anfall handelt. Von „fokal“ oder „partiell“ spricht man nur, wenn primär keine Bewusstlosigkeit auftritt. Bei manchen Menschen haben die meisten Anfallsgeschen haben einen fokalen Beginn, bei manchen – wie auch bei Ihrer Freundin – dürfte ein primär generalisiertes Geschehen vorliegen, das jedoch eine eindeutig fokale Komponente hat. Wenn die Ursache nicht bekannt ist, ist eine MRT unbedingt erforderlich.

5.

A: Wenn die Anfälle so häufig sind, sollte die Dosierung überprüft werden. Ein Blutspiegel der Antikonvulsiva muss bestimmt werden und das EEG kontrolliert. Natürlich können Anfälle durch psychische Komponenten gehäuft auftreten, aber in der Summe sollte doch eine „Einstellung“ möglich sein. Führen Sie einen Anfallskalender und drängen Sie auf eine nervenärztliche Kontrolle, wenn das nicht schon geschehen ist.

6.

A: Da bisher kein Anfall beim Sex aufgetreten ist, sollten Sie es so machen wie bisher. Generell ist zu sagen, dass antiepeileptische Medikamente normalerweise den Orgasmus abschwächen, manchmal auch verhindern und daher können Sie beide froh sein, dass das bei Ihnen nicht so ist. Die Form der Epilepsie, die Ihre Freundin hat, führt wahrscheinlich gar nicht zu Anfällen beim Geschlechtsverkehr. Sollte es aber dennoch auftreten, ist das wahrscheinlich ein Einzelfall und nicht weiter schlimm, aber sicher kein Grund auf Sex zu verzichten,

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Possnigg

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