Schlafattacken und Sekundenschlaf

Lebensgefahr!

Der Tod fährt mit. Trotz Senkung des Alkohol-Limits gibt es immer wieder mysteriöse Unfälle mit Verkehrstoten. Es wird von „Sekundenschlaf“ gesprochen. Der Hintergrund kann in verschiedenen krankhaften Zuständen liegen, die durch genaue ärztliche Untersuchung meist sehr gut behandelt werden können.

Müdigkeit, Erschöpfung und Schläfrigkeit sind unterschiedliche Begriffe, fühlen sich anders an und werden in der Medizin unterschiedlichen Problemkreisen zugeordnet.

Schläfrigkeit

Hier geht es vorwiegend um das Problem der „Schläfrigkeit“. Damit ist der Drang, einzuschlafen gemeint. Wir sprechen auch von Schlafdruck. Abends ist das normal, aber fast jeder kennt Situationen untertags, wo man einschlafen könnt, oder schon eingeschlafen ist. Eine Zugfahrt, ein wenig anregender Film oder eine Wartesituation. Wenn dies oft auftritt und auch in Situationen, wo man keinesfalls einschlafen sollte (bei einem spannenden Film, während eines Gespräches, als Fahrer im Auto, bei Tisch, nach dem Essen) könnte eine krankhafte Schläfrigkeit vorliegen. Dafür gibt es mehrere Ursachen.

Die häufigste Erkrankung, die zu Tagesschläfrigkeit führt, ist sog. Obstruktive Schlaf-Apnoe, bei welcher der Nachtschlaf durch Atemstillstand beeinträchtigt ist. Die Menschen, die an dieser Krankheit leiden, sind stark in ihrem Befinden beeinträchtigt. Es ist eine Erkrankung, die in den Bereich der Lungenfachärzte fällt und kann gut untersucht und behandelt werden.

Bei vielen psychischen Krankheiten ist der Schlaf beeinträchtigt. Man kann das merken oder auch nicht: Subjektiv muss nicht der Eindruck bestehen, gar nicht oder schlecht geschlafen zu haben. Viele Betroffene berichten davon morgens „wie gerädert“ bzw. nicht ausgeschlafen zu sein. Vermehrte Tagesmüdigkeit und Schlafbedürfnis sind oft typisch für Depression. Dabei gibt es auch viele Betroffene, die selbst gar nicht glauben, eine Depression zu haben. Auch bei diesem Symptomenkomplex (sog. depressive Hypersomnie) gibt es eine recht hohe Rate an versteckten Depressionen.

Eine andere seltenere Krankheit geht mit richtigen „Schlafattacken“ einher: die Narkolepsie. Hier treten Traumschlaf-Phasen (REM-Phasen) unvermittelt während des Tages auf. Es können sogar Handlungen fortgesetzt werden, im Tiefschlaf und ohne die entsprechenden lebenswichtigen Reaktionen!

Lebensgefahr – Gehören auch Sie zu den Schläfern am Steuer? – Tödliche Unfälle durch Narkolepsie!

Die Zahl der Verkehrstoten mit unklarer Ursache alarmiert uns Nervenärzte, weil wir wissen, dass eine Reihe von Erkrankungen aus dem neurologischen Formenkreis als Ursache infrage kommen und häufig unentdeckt bleiben.

Die meisten dieser Krankheiten sind gut behandelbar oder heilbar. Wenn der Betroffene bereit ist, die erforderlichen Untersuchungen und Behandlungen auf sich zu nehmen, sind keine gesetzlichen Konsequenzen zu erwarten. Nebenbei bemerkt bedeutet dies auch eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität, oft auch Verbesserung der familiären und beruflichen Situation.

Was können Sie tun?

Tages-Müdigkeit bzw. kurzzeitige Verkehrsuntauglichkeit werden großteils durch Krankheiten, die in das Fachgebiet der Pulmologie, inneren Medizin und Neurologie gehören, verursacht: Schlafstörungen durch Schlaf-Apnoe, Depressionen und psychische Belastungen, Herzinsuffizienz, Allergien, chronische Schmerzen und geopathische Belastungen verursachen Müdigkeit tagsüber. Hier ist die Müdigkeit meist situationsabhängig, das heißt der Betroffene ist dann müde, wenn ein „Gesunder“ auch müde wäre. In Sitzungen, langweiligen Filmen, nach dem Essen usw.

Eine ganz gute Orientierung können die modernen „Wearables“ oder Pulsuhren geben, die Herzfrequenz, Atmung und Bewegungsmuster in der Nacht aufzeichnen. Daraus lassen sich schon erste Schlüsse auf die Art der Problematik ziehen. Aber natürlich gibt es auch andere Hilfen.

Bei Schlaf-Apnoe wird meist vom Partner berichtet, dass der Patient sehr laut schnarcht und die Atmung dann zum Stillstand kommt. Dann erfolgt eine Aufwachreaktion, durch die die Atmung wieder in Gang kommt und danach beginnt der Zyklus wieder (einige Hundert Male pro Nacht sind keine Seltenheit).

Die Depression zeigt oft verändertes Schlafmuster als einziges Symptom. Der Neurologe und Psychiater weiß Hilfe.

Mangel von Eisen oder Vitaminen. Nicht selten sind Vitamin –D Mangel, Eisenmangel und auch Blutarmut (Anämie) eine Ursache der Müdigkeit und auch Schläfrigkeit. Eine Blutuntersuchung schafft rasch Klarheit und die Behandlung ist unkompliziert. Auch nicht erkannte Zuckerkrankheit kann Müdigkeit verursachen.

Ganz sicher gefährlich, jedoch meist durchaus erkannt, ist die Epilepsie. Anfälle, die ohne Zucken und Krämpfen einhergehen (partielle Anfälle) können allerdings übersehen werden.

Achtung Gefahr im Auto

Nicht unwesentlich ist auch der Kohlenmonoxidgehalt im Körper. Kohlenmonoxid (CO) ist hochgradig giftig und hat eine wesentlich größere Bindung an den Blutfarbstoff als Sauerstoff. Wenn durch Auspuffgase oder Rauchen CO im Wageninneren steigt, kann es zu Einschlafreaktionen kommen. Ihr Autofahrerclub kann den CO Gehalt testen.

Narkolepsie – Schlafanfälle

Eine große Dunkelziffer wird für die Erkrankungen aus dem Kreis der Narkolepsie vermutet. Derzeit schätzt man die Zahl auf ca. 1 pro 2000 Menschen, was auch schon bedeutet, dass in Österreich etwa 2500 Autofahrer darunter leiden.

Symptome

Nur eines der folgenden Symptome ist erforderlich, um eine Narkolepsie zu vermuten. Der Neurologe kann dann mit verschiedenen Untersuchungen (EEG, Schlaf-Latenzuntersuchungen, Schlaflabor und Blutabnahme) den Verdacht erhärten oder entkräften:

Extreme Tagesmüdigkeit und -schläfrigeit

Man spürt den übermächtigen Wunsch einzuschlafen, auch in Situationen, in denen andere Menschen nicht schlafen und auch, wenn der Nachtschlaf ausreichend war. Dies besonders bei etwas langweiligeren Situationen: In öffentlichen Verkehrsmitteln, als Beifahrer, im Kino, Konzert oder Theater…

Kataplexie – plötzlicher Verlust der Muskelspannung

Zusammensacken und Verlust der Kontrolle über die Muskeln, Dauer wenige Sekunden bis 20 min. Der Betroffene ist während der Attacke wach und sich bewusst, was geschieht. Dieses Symptom kann bei psychischer Erregung, Freude oder auch beim Lachen auftreten. Bei manchen Betroffenen ist keine Vorwarnung üblich. Wichtig: dieses Symptom entwickelt sich langsam, niemand hat es plötzlich in der vollen Stärke.

Schlaflähmung

Unfähigkeit beim Einschlafen oder Aufwachen zu sprechen oder sich zu bewegen, verschwindet nach einigen Minuten.

Halluzinationen beim Einschlafen

Lebhafte Bildwahrnehmungen beim Einschlafen. Die sind dann keine Symptome für psychische Krankheit, sondern für Narkolepsie. Hypnagoge

Automatisches Verhalten

Stereotypes Weiterverfolgen einer Aktivität im Schlaf. Nachher ist sich der Betroffene nicht mehr bewusst, was er getan hat. Dies ist besonders gefährlich beim Autofahren oder beim Bedienen von Maschinen.

Störungen des Nachtschlafes

Aufwachen in der Nacht mit Panikattacken und danach besonders wach sein: obwohl dieses Symptom auch bei vielen anderen Krankheiten auftritt, muss man auch an die Narkolepsie denken.

Doppeltsehen, Konzentrationsschwäche und Gedächtnisverlust.

Von allen Symptomen ist nur die Tagesschläfrigkeit wirklich notwendig, um „Narkolepsie“ zu vermuten. Die Erkrankung beginnt meist im jungen Erwachsenenalter und kann sich im Folgenden verschlechtern.

Was passiert bei Narkolepsie?

Die Schlaf-Phase der schnellen Augenbewegeungen (Traumphase), die normalerweise nur nach durchlaufen der anderen Stadien auftritt, setzt unmittelbar nach dem Einschlafen, direkt aus dem Wachzustand oder beim Aufwachen ein. Dadurch erfolgen Tonusverlust der Muskulatur und Halluzinationen.

Wie wird Narkolepsie diagnostiziert?

Zusätzlich zu den „Routine Methoden“ der Neurologie (EEG, MR-Tomographie) werden in speziellen Zentren der sog. „multiple Schlaflatenztest“ (MSLT) und die Schlaflaboruntersuchung (Polysomnografie) gemacht.

Weiters gibt es die Möglichkeit mittels einer Blutuntersuchung die Wahrscheinlichkeit, dass Narkolepsie vorliegt, einzustufen. Hierbei wird ein bestimmtes Gen gesucht, dessen Vorhandensein mit Narkolepsie zu vereinbaren ist.

Behandlung

Heilbar ist Narkolepsie nicht, aber soweit behandelbar, dass ein normales Leben möglich ist.

Seit über zehn Jahren sind spezifische Medikamente gegen die Symptome dieser Krankheit im Handel, die aber nur bei gesicherter Narkolepsie gegeben werden dürfen.

Selbsthilfe bei Tagesschläfrigkeit

  • Zwei bis drei kurze (bis 10min) Schlafpausen bei Tag
  • Regelmäßige Arbeits- und Fahrtpausen
  • Gute Belüftung und Beleuchtung am Arbeitsplatz
  • Erstellen Sie sich ein Tagebuch, planen Sie voraus, wann Sie vollkommen wach sein müssen
  • Schaffen Sie sich eine „Pulsuhr“ oder „wearable“ an, um das Schlafverhalten nachvollziehen zu können.
  • Täglich zur gleichen Zeit ins Bett, auch am Wochenende. Dazu entspannende Einschlafrituale.
  • Regelmäßig Sport, aber spätestens vier Stunden vor dem Zubettgehen.
  • Koffein (auch Tee) 6 Stunden vor dem Zubettgehen vermeiden. Nie Alkohol, wenn Sie schläfrig sind.
  • Mit dem Rauchen aufhören (steigert massiv den CO-Gehalt des Blutes)

 

Autofahren?

Autofahren kann – wenn die Krankheiten unbehandelt sind – sehr gefährlich sein. Bei vernünftiger Behandlung, guter Selbsteinschätzung und Disziplin kann es aber durchaus möglich sein, dass Sie wieder ganz normal fahren können. Bei Müdigkeit müssen Sie aber sofort unterbrechen!

Tagesmüdigkeit hat meist ihre Ursache in recht leicht zu erkennenden körperlichen oder psychischen Problemen. – Wenn das nicht der Fall ist, wäre eine weiterführende Diagnostik sinnvoll. Diese kann und wird von darauf spezialisierten Neurologen angeboten. Nur dann ist eine sinnvolle Therapie möglich. Diese ist zwar teuer (die Kosten werden normalerweise von der Sozialversicherung getragen), hat aber wenige Nebenwirkungen und bringt eine wesentliche Verbesserung der Lebensqualität und der Sicherheit.