Migräne, Kopfschmerzen

Jeder kennt Kopfschmerzen – und fast jeder hat seine (Haus-)Mittel dagegen. Kopfschmerzen können sehr viele verschiedene Formen aufweisen, doch bei den meisten Menschen scheinen sie sich auf zwei oder drei – manchmal nur eine Schmerzform zu beschränken. Obwohl es für viele ein Alltagsleiden ist, sollten chronische oder anfallsartige starke Kopfschmerzen oder auch eine neue, bisher nicht gekannte Art der Schmerzen uns dazu bringen, eine fachärztlichen Untersuchung und Behandlung anzustreben.

Fachärzte für Neurologie unterscheiden zahlreiche Arten von Kopfschmerzen. Die häufigsten sind Spannungskopfschmerzen, Migräne in ihrer typischen Form oder einer ihrer zahlreichen Varianten, Mischkopfschmerzen, Schmerzen, deren Ursache in einer anderen körperlichen Erkrankung (z.B. der Halswirbelsäule, der Nebenhöhlen oder oder einer Fehlsichtigkeit) liegt, aber auch Schmerzen, die durch übermäßigen Gebrauch von Schmerzmitteln verursacht werden. Neuralgien und Gesichtsschmerzen geben in ihren unzähligen Varianten vielen Betroffenen, aber auch ihren Ärzten Rätsel auf, sind aber aus neurologischer Sicht leicht zu erkennen und zu behandeln. Eine besonders lästige und belastende Kopfschmerzform ist nach der COVID-Pandemie häufig geworden: der „neue, tägliche, anhaltende Kopfschmerz“ (new daily persistent headache, NDPH). Neurologen können bei fast allen Kopfschmerzen helfen – durch Abklärung, Klarheit und Sicherheit, durch die richtige Behandlung, aber auch, durch die Bewusstheit des Stellenwert der Psyche bei allen diesen Beschwerden.

Migräne kann die heftigsten Kopfschmerzen verursachen, begleitet von Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Sie kann aber auch ganz unscheinbare, Symptome, wie Augenflimmern ohne Kopfschmerzen verursache. Migräne hat ein sehr breites Spektrum von Symptomen und ist als eine Erkrankung des gesamten Gehirns anzusehen. In ihren stärksten Ausprägungen verursacht Migräne unzählige Tage von Arbeitsunfähigkeit und schlechtester Lebensqualität. In den letzten Jahren ergeben sich viele neue Erkenntnisse dazu und es gibt extrem gute und schonende spezifische Medikamente dafür. Durch gezielte Therapie und Prophylaxe werden die Anfälle seltener und kürzer. Lesen Sie daher hier, wie Sie die Symptome am besten einordnen und beschreiben können.

…wenn der Kopf zerspringt
Spannungskopfschmerz oder Migräne?

Gleich vorweg: nicht immer bedeutet Kopfschmerz und Erbrechen – Migräne. Aber jeder ungewohnte Kopfschmerz, der stärker als bisher ist und vor allem jeder häufig auftretende Kopfschmerz sollte Sie zum Neurologen führen. Viel zu oft sind Veränderungen im Gehirn nicht rechtzeitig erkannt worden, weil der Patient sich selbst behandelte. Auch wenn die Ursache der Kopfschmerzen eigentlich in der Halswirbelsäule liegt, können Migräneanfälle von dort aus getriggert werden. Für die Behandlung ist daher oft eine Wirbelsäulen diagnostik und Physiotherapie ebenso notwendig wie die richtigen Medikamente.

Keinesfalls sollten ohne ärztliche Kontrolle täglich mehrere Schmerzmittel, besonders solche, die ohne Rezept erhältlich sind eingenommen werden. Viel zu groß ist die Zahl derer, die durch regelmäßigen Schmerzmittelgebrauch ihre Gesundheit nachhaltig geschädigt haben. Auch moderne Schmerzmittel führen bei übermäßigen Gebrauch zu gesundheitlichen Problemen, wie z.B. einer Art von Abhängigkeit. Eine Entwöhnung davon ist sehr mühsam und langwierig.

Was ist eigentlich Migräne?

Durch die Vielzahl der Symptome, die neben dem Kopfschmerz oder auch unabhängig davon auftreten ist klar, dass Migräne ein wesentlich vielschichtigeres Problem ist, als von vielen angenommen. Sicher ist, daß es Erbanlagen dafür gibt und mehrere Faktoren, wie z.B. Hormone, aber auch psychische Faktoren eine Rolle spielen.

Die Entstehung des Migränekopfschmerzes wird über die Nerven, die die Blutgefäße der Hirnhäute begleiten vermittelt. Zu oder vor Beginn einer Migräneattacke verändert sich die Leistungsfähigkeit des Gehirns, was durch Änderung seiner elektrischen Aktivität messbar ist. Am häufigsten sind Sehstörungen eventuell auch andere neurologische Symptome die Folge, manchmal auch besonders gute, ausgelassene Phasen, manchmal auch sehr schlechte Stimmung oder Leistung.
Anatomisch kommt es zu einer Verkrampfung der kleineren Hirnhaut- und Hirnarterien, dies verursacht den Beginn des Anfalls mit pulsierenden Schmerzen. An den Stellen dieser Verkrampfung wird das Gewebe schlechter durchblutet. Sauerstoffmangel und eine lokale Entzündungsreaktion bewirken dann wieder die Gefäßerweiterung. Flüssigkeit wird aus den Gefäßen ins Gewebe gepreßt und führt dann zu längeren Nachklingen der Schmerzen, oft über einen oder mehrere Tage.

Kriterien für Migräne

Natürlich läuft nicht jeder Migräneanfall lehrbuchgemäß ab. Es ist nicht immer leicht als Arzt die Kriterien für die Migräne aus dem Beschwerdebild heraus zu filtern:

Anfallsweiser, plötzlicher Beginn, heftigster, halbseitiger, pulsierender Schmerz, Übelkeit, Erbrechen, Verschlechterung bei leichtester körperlicher Aktivität, Licht-, Geruchs- und Geräuschempfindlichkeit, Besserung in Ruhe, Dauer einige Stunden.

Keines dieser Kriterien für sich alleine ist für die Diagnose Migräne ausschlaggebend, es müssen einige zusammen genommen werden. Mischformen kommen vor. Diese sind dann nicht nur von Seiten der Symptomatik, sondern auch vom Ansprechen auf die Therapie ganz unterschiedlich.

Andere Kopfschmerzformen

Spannungskopfschmerzen, die meist langsam entstehen, symmetrisch, helmartig, am ganzen Kopf auftreten und bei körperlicher Aktivität eher besser werden können genauso Übelkeit und Schwindel beinhalten und werden daher oft mit Migräne verwechselt. Diese Kopfschmerzen sind sehr häufig und stellen – wie Migräne oft ein großes Problem für den Betroffenen dar.

Kopfschmerzen bei Hirnblutungen treten normalerweise explosionsartig rasch auf, während Tumoren und Leiden anderer Organe oft sehr langanhaltende Kopfschmerzen verursachen. Ganz schlimm: die Kopfschmerzen, die von Kopfschmerzmittel herrühren, da sie kaum behandelbar sind.

New daily persistent headache (NDPH)

Eine der möglichen Langzeitfolgen vom COVID ist eine postinfektiöse Kopfschmerzform, die plötzlich nach der Erkrankung Auftritt und dann für viele Wochen täglich kommt. Die Betroffenen können meist den Tag des ersten Auftretens ganz genau sagen und hatten meist früher keine chronischen Kopfschmerzen gehabt. Von der Symptomatik, kann NDPH Migräne oder Spannungskopfschmerzen imitieren. Die Untersuchungsergebnisse (MRT, Rö, Labor etc.) zeigen nichts Spezifisches und die herkömmlichen Behandlungsmethoden helfen nicht wirklich.
Es gibt aber verschiedene ganzheitliche Therapiemethoden, die helfen können.

Behandlung von Migräne

Einfache Schmerzmittel reichen meist bei Migräne nicht aus. Wir empfehlen daher immer eine Abfolge von

1. ein Medikament gegen Übelkeit,
2. 20-30 Minuten später 1000mg Paracetamol oder ein schnell wirksames Schmerz- bzw. Rheumamittel und
3. nach weitern 30 Minuten erst die modernen Migränemittel – ein sog. Triptan.

Zur Weiterbehandlung, nach dem Anfall kann ein Rheumamittel genommen werden.

Prohylaxe:

Ab einer Frequent von etwa einem Anfall / Woche sollte eine Prophylaxe gemacht werden. Dafür gibt es nun Tabletten und Spritzen.
Als Tabletten kommen Betablocker, Antiepileptika, Antidepressiva und sog. Calcium-Kanalblocker in Frage.

Seit einigen Jahren gibt eine hochwirksame Prophylaxe in Form einer monatlichen Spritze: Den CGRP (bzw. CGRP Rezeptor) Antikörper. Das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) ist ein vom Körper gebildetes, gefässerweiterndes und entzündungsförderndes Neuropeptid, das bei der Migräne eine zentrale Rolle spielt. Durch die monoklonalen Antikörper findet eine Art passive Immunisierung statt. Die Antikörper binden das überschießend produzierte CGRP bzw. besetzen den Rezeptor. Damit können Migräneanfälle verhindert oder stark abgeschwächt werden. Das Medikament wird alle 4 Wochen gespritzt, in Sonderfällen auch seltener. Es bewirkt eine hervorragende Migräneprohylaxe und eine entscheidende Verbesserungs der Lebensqualität. Es wird von Millionen von Migränebetroffenen seit einigen Jahren regelmäßig verwendet und bisher sind keine schweren Nebenwirkungen entdeckt worden. Trotzdem gibt es Einschränkungen in der Anwendung: Alter, Schwangerschaft, bestimmte Gefäßerkrankungen u.a. Für die Verschreibung auf Krankenkasse ist es erforderlich ein Migränetagebuch zu führen.

Migränetagebuch

Ein Migränetagebuch ist immer wichtig. Es soll nicht nur Tag, Uhrzeit und Stärke eines Migräneanfalles vermerken, sondern auch die Art der Schmerzen und der Begleitsymtome. Zusätzlich sind die eingenommenen Medikamente zu verzeichnen. Gut wäre auch Lebens- und Genussmittel und körperliche Aktivität anzumerken.

Alternativen

Eine Studie der Kopfschmerzambulanz des Wiener AKH über die Laien- bzw. Selbstbehandlung von Migräne zeigte eine große Anzahl von „Hausmitteln“ gegen Migräne, sowie auch mindestens 92 Verhaltenstipps, die es zu befolgen gilt um Migräne zu vermeiden. Daher kann man sagen: alles was Ihnen bisher bei Kopfschmerzen geholfen hat ist wert auch weiterhin beachtet zu werden, wenn es nicht an sich gesundheitschädlich ist.
Das wichtigste Hausmittel ist körperliche Bewegung und ausreichend Flüssigkeit.

Es gibt aber auch viele alternativmedizinische Verfahren, die bei Migräne, Misch- und Spannungskopfschmerzen gute Wirkung als Prophylaxe zeigen:

Akupunktur: die feinen chinesischen Nadeln öffnen Energieströme und helfen den Körper sich selbst zu regenerieren. Wirkt im akuten Anfall und zur Vorbeugung. Die Punkte können auch mit Laser oder elektrisch stimuliert werden.

Auch Akupressur, die von Nicht-Ärzten durchgeführt wird, Tuina Therapie und andere regulative Massagetechniken helfen. Bindegewebsmassage, Lymphdrainage und Fußreflexzonentherapie gehören auch zu den wirkungsvollen Techniken.

Homöpathie hat bewährte Arzneien für Migräne bereit. Sehr wirkungsvoll sind auch ableitende Verfahren: Homotoxikologie, Mayer-Kur und andere Formen der Entgiftung.

Reiztherapien wie Kneipp-Güsse, Höhenaufenthalt und Bäder, aber auch einfache Sauna können gut helfen. Hierdurch werden das vegetative Nervensystem und die Blutgefäße trainiert, der Körper beginnt zu reagieren. Verkrampfungen lösen sich.

Ganz besonderen Stellenwert haben aktive Verfahren, die zur Selbstheilung anregen: Heilgymnastik, Taj-Chi, Chi-Gong, Feldenkrais, die fünf Tibeter, Körper-, Tanz- und Bewegungstherapie bringen die Lebensenergie in Fluß und sind geeignet uns flexibler, elastischer und biologisch „jünger“ zu machen.

Als einzige gesichtere Tatsache gilt: regelmäßige Bewegung und Ausdauertraining sind eine sichere Migräneprophylaxe!

Psychotherapie

Kopfschmerzen, Migräne und Schmerzmittelmissbrauch sind immer auch von einer psychologischen Seite zu sehen. Sie sind dann der Anzeiger für eine tiefer liegenden Konflikt oder Missstand. Oft ist es der/dem Betroffenen nicht bewußt, welche Konflikte täglich in uns ausgetragen werden müssen. Manchmal liegt es klar auf der Hand und wir können allein nichts daran ändern. Manchmal ändern sich die Lebensumstände und der Konflikt löst sich von selbst. Sicher ist, Psychotherapie die Hilfestellung zur Veränderung bieten kann, wenn wir sie in Anspruch nehmen.

Was essentiell ist:

Migräne ist nicht heilbar aber gut behandelbar. Manche Kopfschmerzen werden als Migräne verkannt und haben ganz andere Ursachen, meist solche die geheilt werden können. In jedem Fall kann eine ärztliche Untersuchung Klarheit schaffen. Daher ist es notwendig bei neu aufgetretenen Kopfschmerzen und bei allen Kopfschmerzen die zwar bekannt sind, sich aber verändert haben einen Facharzt für Neurologie aufzusuchen.