Einsam im Winter! Das ist wie Todesqual!
(La Boheme)

Licht und Seele (Chronobiologie)

Wieder sind wir in der dunklen und kalten Jahreszeit angelangt. Schon immer haben Menschen den Winter gefürchtet, nicht nur wegen der Kälte, auch wegen der Dunkelheit. Man ist weniger im Freien, Menschen treffen sich seltener spontan. Unsere Antwort auf diese Vorgabe der Natur sind Feste und ausgelassene Feiern. Lichter, Kerzen, Festbeleuchtung dürfen dabei nicht fehlen. Die Diskussionen über Weihnachtsbeleuchtungen und Einschränkungen sind nicht unbegründet. Obwohl Weihnachtsbeleuchtung nichts mit Lichttherapie im medizinischen Sinn zu tun hat, ist es wert sich darüber Gedanken zu machen. Licht hat – das ist biologisch erwiesen – einen starken Einfluss auf unser Befinden.

Für einige von uns ist es besonders wichtig, denn sie leiden unter einer jahreszeitbedingten Erkrankung.

Um dazu mehr Klarheit zu bekommen, stellen Sie sich folgenden Fragen:

  • Ist für mich der Winter eine Zeit, in der das Aufstehen, das Arbeiten regelmäßig mehr Energie als im Frühling und Sommer kostet?
  • Ist das eine Zeit, in der ich mehr Hunger, speziell auf Süßes und Fettes habe?
  • Ist mein Schlaf generell schlechter, weniger erholsam, aber ich habe mehr Schlafbedürfnis, bin also ständig müde?
  • Bin ich im Winter mehr und häufiger niedergeschlagen, antriebs- und lustlos als im Sommer?
  • Wie war es in früheren Wintern?

Dann könnte es sein, dass das Licht auch bei Ihnen als Schrittmacher Ihrer Befindlichkeit wirkt.

Depressionen und Verstimmungszustände, die mit den kürzer werdenden Tagen und der Kälte im Herbst einhergehen, sind durch genaue Diagnostik erkennbar und mit Licht behandelbar. Das merkt man schon, wenn man regelmäßig bei Tageslicht hinausgeht – mindestens eine Stunde pro Tag.

Allerdings sollten Sie in jedem Fall auch einen Facharzt konsultieren, da auch andere Funktionsstörungen hinter dieser Problematik stecken können. Die Fachärztin/ der Facharzt können Ihnen eventuell zu einem Lichttherapiegerät raten. Es gibt aber auch andere Maßnahmen, die Krankheit der „saisonalen Depression“ zu behandeln.

Lichttherapie, nicht nur bei Winter-„depression“?

Im heutigen Berufsalltag kommt es häufig vor, dass wir – besonders im Winter – noch bei Finsternis das Haus verlassen, am Arbeitsplatz auch nur künstliches Licht haben und abends bereits im Dunkeln wieder nach Hause kommen. Bei Homeoffice kann es noch schlimmer sein, wenn man gar nicht mehr hinausgeht. Viele Menschen haben so tagelang kein natürliches Licht. Manchen macht dies nichts, manche aber bekommen Symptome, die einer speziellen Form von Depression zuzuordnen sind.

Neben der psychischen Verstimmung sind auch andere Körperfunktionen „auf Winterschlaf“ gestellt. Das Immunsystem arbeitet schlechter, der Stoffwechsel und die Verdauung sind reduziert. Folgen davon sind Gewichtszunahme und Appetit auf Süßes, sowie eine erhöhte Anfälligkeit auf Infekte. Auf der Knochenumsatz ist reduziert.

Kritisch muss angemerkt werden, dass wir allgemein sehr sparsam mit Tageslicht umgehen. Von der Wohnung zur Arbeit fahren wir mit dem Auto oder einem anderen geschlossenem Verkehrsmittel. Nur wenigen ist es möglich, zu Fuß oder auf dem Rad zur Arbeit zu gelangen. Unsere Arbeitsplätze sind meist in relativ dunklen Räumen, die Fenster, wenn überhaupt vorhanden sind oft klein oder verdunkelt um die Bildschirmarbeit nicht zu erschweren. Aber auch helle Räume haben verglichen mit dem Freien sehr wenig Licht.

Licht fördert das Wohlbefinden und was man sonst noch wissen sollte:

  • Die auf eine Fläche auftreffende Lichtmenge wird in „Lux“ gemessen.
  • Im Freien bei Tag sind zwischen 1.000 Lux (dunkler Wintertag) und 100.000 (Sonnenlicht) anzutreffen.
  • Gut ausgeleuchtete Arbeitsräume (z.B. Schulklassen) weisen höchstens 500 Lux auf, was nicht immer als angenehm erlebt wird.
  • Außer der Lichtmenge ist auch die Farbe des Lichts, bzw. seine Spektralzusammensetzung für unser Wohlbefinden notwendig. Während Tageslicht immer ein ganzes Spektrum, also alle Farben aufweist, die zusammen „weiß“ ergeben, ist dies bei Leuchtstoffröhren und vielen LEDs nicht der Fall. Sie beinhalten lediglich einige schmale Ausschnitte des Spektrums, sog. Banden, die zusammen sich auf die Farbe Weiß ergänzen. Das heißt: Das Licht schaut zwar weiß aus, es fehlen aber die für unser Leben sehr wichtigen anderen Spektralfarben, die energetisierend bzw. harmonisierend wirken. Das bedeutet aber, dass der für uns nützliche Anteil des üblichen Kunstlichts noch viel geringer ist, als dies durch Beleuchtungsmessung anzunehmen wäre.

Im Winter ist nun der Tageslichtanteil, den wir abbekommen, noch geringer. Unser Körper und unsere Seele sind aber auf das Leben im Freien eingestellt, wie es viele Jahrtausende stattgefunden hat. Im Winter ist die Zeit der Ruhe und des sparsamen Haushaltens mit den Körpervorräten. Daher sind wir auf Rückzug und wenig Licht eingestellt. Wenn wir voll arbeiten und uns voll belasten reagiert der Körper mit vermehrten Hunger, Müdigkeit und Gewichtszunahme. Das wäre an sich typisch für Menschen in den mittleren Breiten, die seit zig Generationen auf die natürlichen Rhythmen der Jahreszeiten eingestellt sind.

In unserer modernen Welt ist aber im Herbst und Winter keine Zeit für Ruhe und Winterschlaf. Daher wird von manchen Menschen, die eigentlich dieser Zeit der Ruhe bedürften, die dunkle Jahreszeit als deprimierend und negativ erlebt. Dies kann zu ausgeprägten depressiven Verstimmungen führen.

Die Kennzeichen der „Saisonalen Depression“ oder SAD (Saesonal Affective Disorder)

  1. Müdigkeit, Schlafbedürfnis
  2. sozialer Rückzug
  3. vermehrter Appetit v.a. Kohlenhydrate / Süßes
  4. Gewichtszunahme
  5. negative, depressive Gedanken
  6. Antriebs- und Entscheidungsschwäche

Während die ersten vier Symptome, wenn man sie im Rahmen der Jahresökonomie des menschlichen Energiehaushalts sieht, noch sinnvoll sein können, werden die Punkte 5 und 6 als stark beeinträchtigend erlebt und können einen behandlungsbedürftigen Krankheitszustand kennzeichnen, besonders wenn sie mehrere Jahre hintereinander auftreten. Daher ist in diesem Fall an Lichttherapie zu denken.

Was ist Lichttherapie?

Im psychiatrischen Sinn (es gibt auch hautärztliche, endokrinologische und onkologische Anwendungen von Licht) wird Lichttherapie zur „Verlängerung“ des Tages und vermehrter Ausschüttung von Serotonin eingesetzt.

Dazu verwendet man Geräte, die in ausreichender Menge tageslichtähnliches Licht abstrahlen. Diese Lichttherapiegeräte sind Kästchen oder Boxen, in der einige spezielle Leuchtstoffröhren oder LEDs nebeneinander angebracht sind. Die Geräte werden in Augenhöhe knapp vor dem Patienten aufgestellt. Das Licht dieser speziellen Leuchtmittel weist – annähernd so wie Tageslicht – wesentlich mehr Bestandteile des natürlichen Spektrums auf als eine herkömmliche Neonröhre.

Welche Kriterien gelten für ein gutes Lichttherapiegerät?

Es gibt sehr viele Geräte im Handel, allerdings sind ein paar Details wichtig, wenn man sich für den Kauf entscheidet:

  • Das Gerät soll im Abstand von 30cm mindestens eine Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux erreichen.
  • Nicht zu klein, sonst blendet das Licht zu sehr
  • Lichtfarbe: Tageslichtspektrum Lichttemperatur 4000°K
  • Flimmerfrei
  • Gut schwenkbar aufzustellen: Da die oder der Betroffene entweder ins Licht blicken, oder daneben etwas arbeiten, lesen oder fernsehen soll, muss das Gerät gut schwenkbar und stabil aufzustellen sein.

Im Fachhandel erhältliche Geräte kosten ca. 100,– bis 500,– € und enthalten die genannten Spezialleuchtmittel und eine Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux in 30cm Entfernung. Es ist also eine verhältnismäßig teure Anschaffung und daher sollte durch den Facharzt sichergestellt werden, ob das Lichttherapiegerät überhaupt indiziert ist.

Bei leichteren Formen von Winterdepression kann Bewegung im Tageslicht helfen. Liegt jedoch eine schwerere Form vor, können Medikamente oft einfacher und sicherer helfen.

Lichttherapie hat zwar keine schädlichen Nebenwirkungen, sie kostet aber Zeit. Nicht jeder Berufstätige kann morgens und abends je eine halbe Stunde vor der Leuchte sitzen oder liegen.

Wie wird Lichttherapie sinnvoll eingesetzt?

Bei den betreffenden Menschen kann es gut sein, bereits im Oktober mit einer „Verlängerung der Tageslichtzeit“ zu beginnen. Es wird empfohlen morgens vor Tagesanbruch oder vormittags eine halbe Stunde einer Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux bzw. je 2 Stunden 2.500 Lux ausgesetzt zu sein.

Wenn Sie die Lichttherapie am Abend einsetzen, können Einschlafprobleme auftreten.

Depression ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern und nicht jede Form von Müdigkeit und Hunger nach Süßem im Winter ist eine – lichtabhängige – Winterdepression. Es ist daher sehr wichtig, vor dem Kauf eines Lichttherapiegerätes den Facharzt aufzusuchen. Nur mit der klaren und erfahrenen Diagnostik können Sie sicher sein, dass Sie den richtigen Weg gehen.

Wie wirkt Lichttherapie?

Das Licht wird von der Netzhaut Ihrer Augen wahrgenommen und der optische Reiz wird in einen Nervenimpuls umgewandelt. Dieser wird nicht nur an das primäre Sehzentrum im Hinterhauptslappen weitergeleitet, sondern auch an vegetative Zentren, den Nucleus Suprachiasmaticus, der dem Hypothalamus angehört. Dieser bewirkt u.a., dass das Licht die Melatoninproduktion unterdrückt und aktivierende Nervenzentren erregt, wodurch die entsprechenden Transmitter (Noradrenalin, Serotonin) freigesetzt werden.

Bei Menschen mit Winterdepression werden diese Transmitter bei Lichtmangel knapp. Das bewirkt das depressive Zustandsbild und das erklärt auch, warum die gängigen Antidepressiva ebenfalls wirken.

Kann Lichttherapie auch schaden?

Licht ist eine Energieform, daher reagiert der Körper darauf. Wir alle wissen, dass zu viel Sonnenlicht, bzw. zu viel UV-Anteil im Sonnenlicht schädlich sein kann. Aber wie ist es mit der Lichttherapie? Physikalisch ist hier keine Gefahr:

Die geprüften Lichttherapiegeräte lassen nur sichtbares Licht mit nur sehr geringen UV-Anteil heraus. Daher besteht kein Risiko bezüglich Augenschäden oder Hautkrebs. Außerdem sollten sie kein sichtbares Flimmern aufweisen, somit kommt es auch nicht zur Ermüdung der Augen oder zu einer schädlichen Reizung des Gehirns. Dennoch sollte die Lichttherapie auf maximal 90 min / Tag eingeschränkt werden, da eine Dauerbeleuchtung nicht sinnvoll ist. Insgesamt ist es besser ein Therapiegerät zu haben und es gezielt einzusetzen, als einen Arbeitsraum mit diesem Licht zu überfluten.

So einfach es auch erscheint, den uralten Rat zu befolgen, bei Mattigkeit und Abgeschlagenheit an die frische Luft und in die Sonne zu gehen, so komplex ist das Thema der saisonalen Depression und ihrer Behandlung mit Licht. Suchen Sie daher das Gespräch mit dem kompetenten Facharzt, es lohnt sich allemal.

(© Günther Possnigg 2022)